Das Dorfkino hat zu kleine Eingangschilder. Es steht neben einer zu kleinen Kirche, die nicht von jedem Punkt der Außenwelt aus sichtbar ist, und es ist in einem zu sorglosen Dorf, denn es hat sich eingemeinden lassen, und jetzt ist es nicht mehr Lögow, sondern Wusterhausen/Dosse, manche vergessen darüber den Namen des Ortsteils, es ist halt irgendein Kaff, und denken, das kann ja nicht weit weg sein. Es sind 10 Kilomeer.
Kinogäste landen dann manchmal also in der Schulstraße 2 im Hauptort, dort sind die Hausbewohner achselzuckend. Manche landen in Königs-Wusterhausen, das sind fast 100 Kilometer, von Berlin aus die andere Richtung, und die kommen zu spät, für sie habe ich extra die Spätvorstellung eingerichtet, drei Stunden Puffer. Manche finden eine Schulstraße 2 in Nackel, das hat immerhin dieselbe Postleitzahl wie Lögow, gehört aber zum Amt Neustadt, während Lögow zwar dieselbe Postleitzahl wie Neustadt hat, aber Wusterhausen hat eine andere.
Ob Wusterhausen überhaupt das Recht hat, sich Hauptort zu nennen, bei so mangelhaftem Magnetismus, habe ich mich neulich gefragt, als ein Paket im Nachbardorf Dessow für mich abgegeben wurde, Schulstraße 2 dito, aber neben der Brauerei, die jetzt nur noch ein Museum ist, und der Schornstein da ist höher als der Kirchturm von Lögow.
Das Dorfkino Lögow ist so einzigartig, dass es jenseits eines Umkreises von 500 Metern inkognito ist, und wenn die Menschen aus Fehrbellin darüber in jener Zeitung lesen, die demnächst ihre Printausgabe einstellt, wenn die also wie gestern Abend den Ort gefunden haben, und, mehrfach kreisend mit ihrer Wagenkolonne irgendwann vor der Kirche stehen, dann das Haus unter den zwei alten Bäumen, nein, nicht rechts, da wohnt der Pfarrer, sondern links, wo der letzte Küster sich einst die Kante gab, endlich gefunden haben, wenn sie das als Kino identfizieren, was nicht einfach ist, denn es steht von der Straße zurück, die Plakate hinter der Kastanie sind nur zu erahnen, dann ist großes Hallo angesagt, alle froh, endlich da, aber dann beginnt die Sucherei erneut.
Die viel zu kleinen Schilder namens Kino, Pfeil rechts, werden übersehen, was nur zu natürlich ist, oder nicht ernst genommen, vor allem nicht der Pfeil, denn rechts ist nur ein schief stehendes Gartentor, das selbst der Hermes-Fahrer sich weigert zu berühren und die Pakete drüber schmeißt, egal ob’s regnet oder schneit, dabei wäre doch hinterm Tor, einmal links um die Ecke, die Tür zum Kino, zum Vorraum, so trocken und knapp vorgewärmt, wie es ideal wäre für Hermespakete, aber nein, zu krumm, zu schief, nicht gestrichen, hängt nur an einem Haken, und so höre ich durchs Lögower Einfachglas die Rufe die suchenden Kinobesucher, ja wo geht’s denn hier rein, und schon stehen sie vor der Eingangstür der Ferienwohnung, das ist immerhin eine Tür, mit drei Stufen und einem Absatz, und da ist zwar keine Klingel, nur ein Briefkasten mit einem Namen drauf, verwaschen, liest niemand, aber eine Schiffsglocke, und die bimmelt jetzt, und die Feriengäste, die gar nichts mit dem Kino zu tun haben, die stehen jetzt bestimmt erschrocken hinter der Tür und denken, sie haben etwas falsch gemacht, einer bimmelt, wer sollte bimmeln, sie sind doch hier Gast und zwar darum, weil sie niemand kennt und die Ruhe perfekt sein soll, und ich habe den Zugang zur Haupteingangstür mir selbst verschlossen, den Ferienwohnungsgästen und mir selbst und den Kinogästen zuliebe zugemauert, wer rennt schon gern durch anderer Leute Wohnung um dem Bimmeln ein Ende zu bereiten, also sprinte ich durchs Büro, durch den Kinoraum, durch die Bar, den trockenen und vorgewärmten Vorraum, durch den Garten, also jetzt rechts um die Ecke bis vor den Haken des schiefen Gartentors, den hochgekloppt, das Tor nach innen geschwenkt, fast alle machen es falsch, und überdrehen dabei die Angel und die löst sich immer weiter aus dem morscher werdenden, ungestrichenen Lattenzaunholz, und nochmal rechts um die Ecke geguckt.
Ja, da sind sie, ich sehe sie, 12 Rentner, 11 Frauen und ein Mann, sie stehen vor den Stufen des Eingangs zur Ferienwohnung, in Reih und Glied aufgestellt, die Vorfreude bröckelt, die Anführerin auf dem oberen Absatz bimmelt, bimmelt, bimmelt, und hinter der Tür, ich ahne es, die Berliner Feriengäste, erstarrt und keinen Laut von sich zu gebend.