Zimmer, Küche, Bad

Für Menschen im nächsten Lebensabschnitt ist es schwieriger, sich neu zu verbinden, weil wir alle weniger formbar sind. Wahrscheinlich waren wir es nie, aber Hormone und Pflicht übertünchten, was nicht passte.

Welch ein Segen also die Partnerplattformen im Internet. Sie erleichtern das Unterfangen einer Vorauswahl nach zumindest groben Parametern: Beruf, Musikgeschmack, Werte.

Die Plattformen fürs reifere Semester sind wie Immobilienmakler, die dir Häuser von Außen zeigen.

Unschwer zu erkennen, in welchen Häusern ich mich wohlfühlen könnte, in welchen garantiert nicht. Unmöglich, den Konjunktiv gegen Gewissheit allein durch diese Art der Information zu tauschen. Dies kann keine Plattform, nicht mal im Sinne einer Wahrscheinlichkeitserhöhung.

So intensiv das Katalogstudium auch betrieben wird, das Haus muss betreten werden.

Erst dann entscheidet sich: Kehre ich im Flur um, werde ich in den Empfangsraum gelassen? Folgen Esszimmer, Küche, Bad?

Doch im plötzlichen Aufkommen des Begehrens, im Schlafzimmer zu landen, dem Ort, wo flüchtige Berührung zur einvernehmlich absichtsvollen wird, entscheidet sich alles.

Diese Plötzlichkeit ist nicht eingebettet in den Prozess des Betretens. Niemand kann sagen, es ereignet sich nach dem Aufschließen der Haustür oder beim Betreten der Küche. Es entscheidet sich instant, ist wie eine ästhetische Offenbarung, ein Akt der Gewalt. Es ist etwas, auf das wir uns nicht vorbereiten, das wir nicht anbahnen, gegen das wir uns nicht wehren können.

Und furchterregender und beglückender Weise beruht er nicht automatisch auf Gegenseitigkeit. Ja, beglückender Weise! Woher sonst käme jene Spannung, die das alles in Gang bringt, so wie die Sonne den Wasserkreislauf? Das Risiko des Ungleichen aber mündet oft genug in enttäuschter Peinlichkeit.

Die einzige heilende Medizin, die ich kenne, sind Wein und Humor. Beides sollte man im Gepäck haben, und beides darf in jedem Fall reichlich (aus)geschenkt werden, im glücklichen Moment wie im unglücklichen.

Nur ist’s einmal im Schlafzimmer, sonst in der Küche, dem tröstlichsten aller Orte mit der Tafel Schokolade in der Schublade hinten links.

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Das war die Anfänger-Fassung. Natürlich ist die Realität anders. Während man früher mangels Internet nur wenige Häuser in Blick nehmen konnte, analog eben, so wird heute mehr verglichen. Oft verselbständigt sich das Vergleichen und wird zum Selbstzweck. Um Menschen im Vergleichspanel zu lassen, auch wenn Sie erst auf den Plätzen in den Charts folgen, ist es notwendig, parallele Anfragen zu bedienen als seien sie einzigartig, und niemals die Wahrheit zu sagen, wenn es darauf ankäme, sich zu zeigen, bei einem ersten oder zweiten Date zum Beispiel. Ist einer/eine andere terminiert, wird nicht abgesagt, sondern es wird mit dem Hinweis auf Urlaub, eine dringende Dienstreise, ja gar auf eine komplizierte OP mit wochenlanger Rekonvaleszenz der Nachplatziert versucht warmzuhalten. Es könnte ja sein, dass das präferierte Haus doch nicht hält, was es auf den ersten Blick versprach.